Museum am Dom Foto: Sebastian Schug

MaD Art – Mehr Menschen in Museen

Kunst hat ihren Platz im 21. Jahrhundert. Kunstgalerien und Museen bieten einen Mehrwert gegenüber dem Internet und den Medien. Eine Entdeckungsreise mit dem Kurator und Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen und dem Kunstpädagogen Jörg Nellen.

Das Museum am Dom (MaD) will entdeckt werden, zunächst einmal sein Eingang. Die moderne Fassade beeindruckt, die Drehtür hält sich schlicht zurück. Der Besucher gelangt nach dem Eintreten in einen schmalen Raum mit hoher Decke, eine Treppe zur Linken führt hinunter zur Sonderausstellung, ein breiter Aufgang in die große Halle der Dauerausstellung. Das Museum im Herzen der Universitätsstadt zeigt von Beginn an, dass es sich der Moderne geöffnet hat: Glasfassade, hohe Decken und blanker Beton. Der Kurator und Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen bejaht im Interview: Dies ist ein Tempel, doch es ist ein Tempel der Kunst.

Der Kurator und sein Tempel

Für Lenssen hat Kunst etwas „Sakrales“. Der „Dialog“ des Besuchers mit dem Kunstwerk geschieht auf einer Ebene, die von einem „Mysterium“ geprägt ist. Als Mysterium entzieht sich Kunst universellen Aussagen. Die Architektur des Hauses lädt denn auch zur Entdeckung ein. Folgt man den Stufen vom Eingang hinauf zur Dauerausstellung, so fällt der Blick unweigerlich auf die großen Lettern an der Wand gegenüber. „Wer sind wir? Woraus und worauf zu leben wir?“ Lenssen sieht diese Fragestellung als Leitlinie seiner Ausstellung. Wichtig ist ihm „künstlerische Qualität“ und die Entdeckung der
„schöpferischen Kraft“, die in jedem Menschen steckt.

Dr. Jürgen Lenssen
Dr. Jürgen Lenssen

Der Kurator lädt die Besucher ein, die Werke zu finden, „die sie in ihrer momentanen Lebenssituation treffen“. Teil dieses Findungsprozesses ist der Weg, den jeder durch die Ausstellung nimmt. Steht man am Eingang, so öffnet sich eine riesigen Halle. Die Wahrnehmung als Halle, nicht Raumabfolge, war beabsichtigt. Die dafür konstruierte Decke erstreckt sich, einem Karomuster gleich, aus dem Sichtfeld des Betrachters. Es wird ein Eindruck von Unendlichkeit erschaffen, von Weite. In Verbindung mit einem überall gleichmäßigen Licht gelingt ein Eindruck maximaler Offenheit. Kein Schatten, keine Trennung, kein vorgegebener Weg. Die Architektur verkörpert den liberalen Geist des Hauses.

Liberalismus: „Endlich ein Museum, das uns ernst nimmt!“

Freiheit und Vertrauen in Künstler und Kunstbetrachter, das ist der Grundkonsens der das Museum trägt. Dazu gehört die Freiheit seinen Weg durch die Ausstellung frei zu bestimmen. Es gibt keinen Wegweißer und keine Absperrungen. Ergänzt wird dieses Konzept durch die Präsentation der Kunstwerke. Diese ist „thematisch“ geordnet, ohne dies offen zu zeigen. Seit der Eröffnung des Museums im Jahr 2003 verschwanden sowohl lange Erklärungen, Handreichungen wie auch die Schlagwörter an den Wänden. Für Lenssen war das ein „Lernprozess“, an dessen Ende das Vertrauen in die Kunstwerke und die Betrachter steht. Der im Jahr 2004 verstorbene Bildhauer Wolfgang Mattheurer kommentierte dieses Konzept mit den Worten: „Endlich ein Museum, das uns ernst nimmt!“ Das Konzept entspricht damit seiner Grundüberzeugung, wonach die Kunstwerke selbst eine Aussage haben, die keine weitere Beschreibung benötigt. Lenssen ist der Ansicht: „Kunst kann man nie ganz ausloten“, sie erschließt sich jedem Menschen auf andere Weise. Das Museum am Dom unterstützt daher auch die Bemühungen, Kunst auch körperlich und geistig behinderten Menschen Nahe zu bringen. Deren Zugang zu den Werken bereichert die Auseinandersetzung mit den Bildern und Skulpturen um sehr wichtige Blickwinkel. Für Lenssen, der manche Werke schon seit Jahrzehnten kennt, zeigen sich so oftmals „faszinierende“ Sichtweisen. Kunst entfaltet ihre Kraft im sich verändernden Kontext. „Werke sind urpersönliche Äußerungen der jeweiligen Schöpfer“, ein Ausdruck der Gegenwart, in der sie entstanden sind. Doch die Themen die sie behandeln, können Jahrhunderte lang aktuell bleiben. Steht man vor Eckart Hahns Anbetung der Könige, so kann man sich einem erstaunten Lächeln kaum entziehen. Gezeigt wird eine Krippenszene deren Figuren aus Einkaufstüten mit Markenlogos zusammengesetzt sind. Konsumkritik made in Bethlehem.

„Das Werk selbst spricht nicht“

Jörg Nellen
Jörg Nellen

Nicht jedes Bild ist so eindeutig in seiner Aussage. Der Pressereferent des Kunstvereins Würzburg Jörg Nellen sagt dazu: „Das Werk selbst spricht nicht“. Für ihn erfordert daher die Präsentation von Kunst in der Moderne eine Begleitung. Für den Pädagogen ist es besonders interessant, hierdurch auch kunstfernes Publikum zu begeistern. Für Kinder und Jugendliche hat der Museumsbesuch keine „Haupt-
priorität“. Was trotzdem „zieht“ sind ansprechende Plakate, Kunst im öffentlichen Raum und natürlich das Internet. Für Nellen gehört neben klassischer Pressearbeit zu einem
modernen Museum daher unbedingt ein Internetauftritt und der Gang in die sozialen
Medien. Die Kunst muss auf die Menschen zugehen.

Für Jörg Nellen gleicht die Kunst einem See. Wir können von Außen auf ihn schauen, doch so sehen wir nie was unter der Wasseroberfläche liegt. Er lädt ein zum Tauchgang.

Komplettes Interview mit Dr. Jürgen Lenssen

  • Von Sebastian Schug

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