Die Macht der Maschinen

Im Jahr 2050 ist Deutschland eine Republik der Greise. Dies ist die Kernaussage der 11. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des statistischen Bundesamts. Zu diesem Zeitpunkt werden doppelt so viel alte wie junge Menschen in Deutschland leben. Doch kein Grund zur Panik: Unsere Gesellschaft wird nicht untergehen, sie wird sich verändern. Schon heute werden wir in fast allen Lebensbereichen unterstützt, unsere wichtigsten Partner dabei: Maschinen. Doch wie werden diese im Jahr 2050 aussehen? Sucht man darauf eine Antwort, lohnt sich ein Besuch in der Kinderstube der technologischen Zukunft: Zu Gast im Zentrum für Telematik  (ZfT) Würzburg.

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Neubau des Zentrums für Telematik am Hubland-Campus Würzburg

Doris Aschenbrenner, studierte Informatikerin und Doktorandin hilft, sich in der neuen Heimat des Forschungsinstituts zurecht zu finden. Der moderne Neubau am Würzburger Hubland-Campus ist nicht nur optisch ein Juwel, die Forschung im Bereich der Telematik hat Leuchtturmwirkung. Der Vorstand des ZfT, Professor Dr. Klaus Schilling, begründet die steigende Bedeutung seines Fachgebiets mit der fortschreitenden Digitalisierung. Die Telematik wird „unseren Alltag beeinflussen, das reicht von Verkehrsleitsystem über Telemedizin bis hin zur Fernsteuerung von Raumsonden.“  Schon hier wird klar: Für den Leiter des ZfT gibt es kaum einen Lebensbereich, den die Teilgebiete Telekommunikation, Automatisierungstechnik und Informatik nicht erfassen.

Die Zukunft hat schon begonnen

Vor allem der Bereich Robotik wird nach Ansicht seiner Mitarbeiterin Doris Aschenbrenner rasch an Einfluss auf unseren Alltag gewinnen. Sie ist sich sicher: „Was man vergleichen kann mit einem Smartphone, ist 2050 dann ein Roboter.“  Innerhalb der letzten zehn Jahre haben sich Smartphones von Luxusprodukten zu fast unersetzlichen Werkzeugen entwickelt. Ähnlich wird laut Aschenbrenner auch die Entwicklung in der Robotik verlaufen, oder sogar noch schneller. Um die Geschwindigkeit dieser Umwälzungen erfassen zu können ist das Gesetz von Moore ein beliebtes Vergleichsmodell. Der amerikanische Wissenschaftler und Mitbegründer von Intel postulierte im Jahr 1965, dass sich die Komplexität integrierter Schaltkreise alle 12 bis 24 Monate verdoppelt. Die digitale Revolution gibt ihm Recht.

Roboter für Jedermann

Aschenbrenner sieht vor allem die Service-Robotik als Kern der zukünftigen Entwicklung. Nicht nur im Bereich des Haushalts, sondern vor allem in der Pflege werden Roboter dem Menschen die Hand reichen. Drei Türen weiter forscht Tobias Lindeholz an den praktischen Hindernissen. Ihm geht es um die Entwicklung einer intelligenten Wegfindung für fahrerlose Transportsysteme. Was sich auf den ersten Blick eher nach einem reinen Industrie-Thema anhört, gewinnt an Tragweite, wenn man an die Entwicklung von selbstfahrenden Autos denkt: Eine Technologie – zwei Anwendungsgebiete. Laut Lindeholz soll der Roboter mittels Laserscanner seine Umwelt wahrnehmen und auf unvorhergesehene Hindernisse selbstständig reagieren. Ihm geht es  nicht primär darum, Menschen zu ersetzen. Für den Forscher werden aus „dummen Maschinen“ vielmehr „intelligente Werkzeuge“. Diese Werkzeuge werden uns in die Lage versetzen,  unser Leben lange aktiv und selbstbestimmt zu gestalten.

Die Schalthebel der Macht

In einer Gesellschaft, in der trotz medizinischen Fortschritts immer mehr Menschen auf Hilfe angewiesen sein werden, bieten Roboter eine neue Alternative. Um Maschinen in Bereichen einzusetzen, die entweder an Personalmangel leiden oder in denen künftige Generationen nicht mehr arbeiten wollen, müssen sie einfach steuerbar sein. Einfach, das bedeutet intuitiv. Aschenbrenner vergleicht den dafür notwendigen Prozess mit der Entwicklung der graphischen Benutzeroberfläche bei Computern. Der Sprung von der Bedienung via DOS-Befehlszeile zum Windows-Desktop hat Computer für die Allgemeinheit nutzbar gemacht. Ähnliches ist im Bereich der Tablets und Smartphones zu beobachten. Die intuitive Benutzerführung ermöglicht selbst Kleinkindern den Umgang mit diesen Technologien. In der Zukunft wird es also nicht darauf ankommen, wie alt oder jung man ist, sondern welcher Zugang zu technischen Hilfsmitteln besteht. Laut Doris Aschenbrenner gibt es schon heute keine Grenzen mehr für die Entwicklung von Robotern. Mit genügend finanziellen Mitteln ist alles möglich.

Das letzte Wort hat der Mensch

Roboter werden in der Zukunft unersetzlich sein, doch was bedeutet das für die Menschheit als Ganzes? Abseits von dystopischen Zukunftsvisionen, in denen die Maschinen die Kontrolle übernehmen, darf die Entwicklung intelligenter Maschinen dennoch nicht gänzlich kritiklos betrachtet werden. Der Begriff der technologischen Singularität beschreibt den Moment, an dem Computer die Leistungsfähigkeit des menschlichen Gehirns übersteigen. An diesem Punkt wird das Werkzeug machtvoller, als sein Schöpfer. Ob dieser Zeitpunkt bereits überschritten ist, oder ob er uns noch bevorsteht, darüber herrscht Uneinigkeit. Laut Doris Aschenbrenner wird es im Jahr 2022 so weit sein. Wenn wir über die Singularität diskutieren, geht es nicht so sehr darum, ob künstliche Intelligenz uns in der Zukunft beherrschen wird. Die Frage ist: Wie bemisst jeder Einzelne seinen Selbstwert?  Im Mittelalter war der Wert des Menschen stark durch seine handwerklichen Fähigkeiten definiert. Heute bestimmt die mentale Leistungsfähigkeit unser Leben. Ist die Singularität erreicht, spielt  das keine Rolle mehr. Im Jahr 2050 wird der Wert eines Menschen daran gemessen werden, inwieweit er fähig ist, den ihm zur Verfügung stehenden Werkzeugen eine sinnvolle Aufgabe zuzuweisen. Wenn es also um die Zukunft von jung und alt geht, sollten wir anfangen, uns darüber Gedanken zu machen, was wir mit den neuen Möglichkeiten anfangen werden, die uns die Technik eröffnet. Wie gesagt: Das letzte Wort hat der Mensch!

  • Von Sebastian Schug

Interview-Reihe: 3 Fragen & 3 Antworten an die Telematik

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